Equines Metabolisches Syndrom (EMS) bei Pferden: Früherkennung und Management
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Das Equine Metabolische Syndrom (EMS) entwickelt sich zu einer der häufigsten Stoffwechselerkrankungen in der modernen Pferdehaltung. Diese sogenannte Wohlstandserkrankung betrifft vor allem übergewichtige Tiere. Wird sie zu spät erkannt oder unzureichend gemanagt, können schwerwiegende Folgeerkrankungen wie Hufrehe entstehen. In diesem umfassenden Ratgeber erfahren Sie, wie Sie die Anzeichen von EMS rechtzeitig erkennen, welche diagnostischen Möglichkeiten zur Verfügung stehen und wie Sie durch gezieltes Ernährungs- und Bewegungsmanagement das Wohlbefinden Ihres Pferdes langfristig sichern können.
Was ist das Equine Metabolische Syndrom?
Das Equine Metabolische Syndrom beschreibt eine komplexe Stoffwechselstörung, die durch drei zentrale Komponenten charakterisiert ist: Insulinresistenz oder Insulindysregulation, Adipositas und ein erhöhtes Risiko für endokrinopathische Hufrehe. Anders als häufig angenommen, handelt es sich dabei nicht um eine Schilddrüsenunterfunktion, sondern um eine Entgleisung des Zuckerstoffwechsels sowie des Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsels.
Die Erkrankung entsteht durch ein Ungleichgewicht zwischen Energieaufnahme und -verbrauch. Pferde sind von Natur aus sehr effiziente Futterverwerter, da ihre Vorfahren Zeiten der Nahrungsknappheit überstehen mussten. Diese evolutionäre Anpassung wird unter modernen Haltungsbedingungen mit ständig verfügbarem, energiereichem Futter jedoch zum Nachteil.
Bei der EMS-Pferdekrankheit führt eine langfristige Überversorgung mit leicht verdaulichen Kohlenhydraten in Kombination mit Bewegungsmangel zur Bildung von Fettpolstern. Dieses Fettgewebe ist nicht nur ein passiver Energiespeicher, sondern entwickelt sich zu einem aktiven Hormonsystem, das Substanzen produziert, die die normale Insulinfunktion hemmen und die Insulinausschüttung beeinflussen.
Ursachen und Pathophysiologie von EMS
Die Entstehung des Equinen Metabolischen Syndroms ist ein multifaktorieller Prozess. Neben der offensichtlichen Kombination aus energiereicher Fütterung und mangelnder Bewegung spielen genetische Faktoren eine wichtige Rolle. Bestimmte Pferderassen wie Ponys, Quarter Horses, Araber, Paso Finos und Andalusier zeigen eine erhöhte Anfälligkeit für die Erkrankung.
Wenn Ihr Pferd Risikofaktoren aufweist, sollten Sie frühzeitig präventive Maßnahmen ergreifen, um einer EMS-Entstehung vorzubeugen. Unsere Experten der Altano-Partnerkliniken beraten Sie gerne zu individuellen Präventionsstrategien für Ihr Pferd. Finden Sie eine qualifizierte Pferdeklinik in Ihrer Nähe.
Beim EMS lagern sich beim Pferd viele Fettzellen ein. Diese Fettzellen sind nicht nur „Speicher“, sondern geben auch Botenstoffe ab, die den Zuckerstoffwechsel stören. Dadurch reagiert der Körper schlechter auf Insulin (Insulinresistenz). Die Bauchspeicheldrüse versucht, das auszugleichen, indem sie immer mehr Insulin produziert. So entsteht ein dauerhaft erhöhter Insulinspiegel (Hyperinsulinämie).
Das Problem: Zu viel Insulin schädigt die Huflamellen, also die empfindlichen Strukturen, die den Hufknochen mit der Hufwand verbinden. Deshalb haben Pferde mit EMS ein hohes Risiko für Hufrehe.
Früherkennung: Symptome und klinische Anzeichen
Die Früherkennung von EMS ist entscheidend für eine erfolgreiche Behandlung. Viele Pferdebesitzer übersehen die anfangs subtilen Anzeichen und suchen erst professionelle Hilfe, wenn bereits Komplikationen aufgetreten sind.
Zu den ersten Warnsignalen gehört oft ein schleichender Leistungsabfall. Betroffene Pferde wirken träge, ermüden schneller als gewöhnlich und zeigen wenig Motivation bei der Arbeit. Paradoxerweise führt dies häufig dazu, dass Besitzer die Kraftfutterration erhöhen, was die Problematik durch Überfütterung zusätzlich verschärft.
Das charakteristischste Merkmal sind abnorme Fetteinlagerungen an typischen Körperstellen. Achten Sie besonders auf Fettpolster am Mähnenkamm, an der Schulter, am Schweifansatz, an der Kruppe, oberhalb der Augen und bei Hengsten am Präputium. Diese lokalen Fettdepots können auch bei Pferden auftreten, die nicht generell übergewichtig erscheinen.
Weitere wichtige Anzeichen sind Schwierigkeiten beim Abnehmen trotz reduzierter Fütterung, vermehrtes Trinken und Urinieren (Polydipsie und Polyurie) sowie bei Stuten Fruchtbarkeitsstörungen oder unregelmäßige Zyklen. Auch Probleme beim Fellwechsel oder ein stumpfes, mattes Fell können auf eine Stoffwechselstörung hinweisen.
Das schwerwiegendste Symptom ist das Auftreten einer scheinbar grundlosen Hufrehe. Diese kann akut, chronisch oder schleichend verlaufen und tritt oft in wiederkehrenden Schüben auf, ohne dass andere auslösende Faktoren wie Fütterungsfehler oder Verletzungen identifiziert werden können.
Diagnostische Verfahren
Die Diagnose von EMS erfordert eine systematische Herangehensweise, da das klinische Bild gerade im frühen Stadium vielfältig und nicht immer eindeutig ist. Eine ausführliche Anamnese und gründliche klinische Untersuchung bilden die Grundlage der Diagnostik.
Für eine zuverlässige Diagnose sind spezielle Blutuntersuchungen erforderlich. Eine einfache Bestimmung der Nüchtern-Insulin- und Glukosewerte reicht oft nicht aus, da diese in frühen Stadien noch im Normbereich liegen können. Daher kommen dynamische Tests zum Einsatz, die die Reaktion des Stoffwechsels auf eine Glukosebelastung untersuchen.
Der Orale Glukose-Insulin-Test (OGIT) gilt als Goldstandard in der EMS-Diagnostik. Dabei wird dem nüchternen Pferd morgens Blut entnommen, anschließend eine definierte Menge Glukose über eine Nasenschlundsonde verabreicht und nach zwei Stunden erneut Blut abgenommen. Die Insulin- und Glukosewerte vor und nach der Glukosegabe geben Aufschluss über die Insulinregulation und den Blutzuckerspiegel.
Bei älteren Pferden (über 15 Jahre) wird zusätzlich eine ACTH-Bestimmung durchgeführt, um das Equine Cushing-Syndrom (PPID) auszuschließen oder als Begleiterkrankung zu identifizieren. Dies ist besonders wichtig, da etwa 30 Prozent der Cushing-Patienten gleichzeitig eine Insulindysregulation entwickeln.
Falls Sie bei Ihrem Pferd Anzeichen einer Stoffwechselstörung bemerken, wenden Sie sich an eine der spezialisierten Altano-Partnerkliniken. Unsere erfahrenen Tierärzte führen die notwendigen diagnostischen Tests durch und entwickeln gemeinsam mit Ihnen einen individuellen Behandlungsplan. Lassen Sie sich von erfahrenen Tierärzten beraten.
Management und Behandlungsstrategien
Das Management von EMS-Pferden erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, bei dem Fütterung und Bewegung die tragenden Säulen der Therapie bilden. Medikamentöse Behandlungen kommen nur in schweren Fällen oder bei Therapieresistenz zum Einsatz und können nicht das konsequente Management ersetzen.
Fütterungsmanagement bei EMS
Die Futterumstellung ist der wichtigste Baustein der EMS-Behandlung. Dabei gilt es, mehrere Prinzipien zu beachten. Zunächst muss die Energiezufuhr reduziert werden, ohne dabei eine gefährliche Unterversorgung zu riskieren. Radikale Null-Diäten sind zu vermeiden, da sie zu lebensbedrohlichen Stoffwechselentgleisungen führen können.
Stärke- und zuckerreiche Futtermittel müssen konsequent eliminiert werden. Dazu gehören Getreide, Melasse, Brot und andere kohlenhydratreiche Leckereien. Auch bei der Heuqualität ist Vorsicht geboten: Junges, energiereiches Heu oder Heulage können problematisch sein. In vielen Fällen ist eine Heuanalyse sinnvoll, um den Zucker- und Stärkegehalt zu bestimmen.
Die Raufutterbasis sollte aus strukturreichem, rohfaserreichem Heu bestehen. Bei stark übergewichtigen Pferden sind Heunetze für eine kontrollierte Heurationierung empfehlenswert, wobei die Mindestmenge von 1,5 Kilogramm Heu pro 100 Kilogramm Körpergewicht nicht unterschritten werden sollte.
Die Mineralstoff- und Vitaminversorgung verdient besondere Aufmerksamkeit. EMS-Pferde haben oft einen erhöhten Bedarf an bestimmten Spurenelementen wie Chrom, Zink, Kupfer und Mangan. Da handelsübliche „All-in-One“-Mineralfutter häufig nicht optimal zusammengesetzt sind, empfiehlt sich eine individuelle Beratung zur Supplementierung.
Bewegungsmanagement und Training
Bewegung ist ein unverzichtbarer Bestandteil der EMS-Therapie, da sie die Insulinsensitivität verbessert und den Glukosestoffwechsel ankurbelt. Allerdings muss das Trainingsprogramm vorsichtig und schrittweise aufgebaut werden, um Überlastungen zu vermeiden.
Bei Pferden mit akuter oder chronischer Hufrehe ist zunächst eine tierärztliche Abklärung der Belastbarkeit erforderlich. In leichteren Fällen kann oft mit Handführen oder lockerer Arbeit an der Longe begonnen werden. Das Training sollte regelmäßig erfolgen – täglich kleine Einheiten sind effektiver als seltene, intensive Belastungen.
Weidegangmanagement spielt eine besondere Rolle, da fruktanreiche Gräser den Stoffwechsel zusätzlich belasten können. Besonders problematisch sind kurze, schnell wachsende Gräser in den frühen Morgenstunden oder nach stressigen Wetterbedingungen. Ein kontrollierter Weidegang mit Maulkorb oder zeitlich begrenzter Zugang können sinnvolle Kompromisse darstellen.
Langfristige Prognose und Lebensqualität
Mit dem richtigen Management haben EMS-Pferde in der Regel sehr gute Chancen auf ein gesundes und erfülltes Leben. Viele Tiere können bei erfolgreicher Gewichtsreduktion und optimierter Fütterung wieder eine normale Lebensqualität erreichen und sogar im Sport eingesetzt werden.
Entscheidend ist jedoch die Erkenntnis, dass EMS eine chronische Erkrankung ist, die lebenslange Aufmerksamkeit erfordert. Auch nach erfolgreicher Therapie bleibt die Anfälligkeit für Stoffwechselentgleisungen bestehen, weshalb regelmäßige Kontrollen und konsequentes Management unerlässlich sind.
Bei frühzeitiger Diagnose und konsequenter Behandlung können die meisten Pferde ein beschwerdefreies Leben führen. Verzögerungen in der Therapie oder inkonsequentes Management erhöhen jedoch das Risiko für schwerwiegende Komplikationen wie chronische Hufrehe, die die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen können.
Zur Langzeitüberwachung gehören regelmäßige Gewichtskontrollen, jährliche Blutuntersuchungen zur Überprüfung der Stoffwechselparameter und die kontinuierliche Anpassung von Fütterungs- und Bewegungsprogramm an die aktuellen Bedürfnisse des Pferdes.
Sind Sie unsicher, wie Sie die langfristige Betreuung Ihres EMS-Pferdes und die Umsetzung des Managementplans gestalten können? Lassen Sie sich von den Spezialisten unserer Altano-Partnerkliniken professionell begleiten, um die Stoffwechselgesundheit Ihres Pferdes dauerhaft zu stabilisieren. Finden Sie erfahrene Experten für Ihr Pferd.
Fazit
Das Equine Metabolische Syndrom ist eine ernsthafte, aber gut behandelbare Stoffwechselerkrankung, die bei rechtzeitiger Erkennung und konsequentem Management eine gute Prognose hat. Die Früherkennung durch Aufmerksamkeit für charakteristische Symptome wie abnorme Fettverteilung und Leistungsabfall ist entscheidend für den Therapieerfolg.
Die Behandlung basiert primär auf Futter- und Bewegungsmanagement, wobei die Eliminierung von Stärke und Zucker aus der Ration sowie ein kontrollierter Aufbau der körperlichen Aktivität im Mittelpunkt stehen. Medikamentöse Therapien bleiben schweren Fällen vorbehalten und können das Management nicht ersetzen.
Für Pferdebesitzer ist es wichtig zu verstehen, dass EMS eine chronische Erkrankung ist, die dauerhafte Aufmerksamkeit erfordert. Mit der richtigen Herangehensweise können betroffene Pferde jedoch eine normale Lebensqualität erreichen und sogar wieder im Sport eingesetzt werden. Der Schlüssel liegt in der frühzeitigen professionellen Betreuung, der konsequenten Umsetzung des Managementplans und der regelmäßigen Überwachung der Stoffwechselparameter.